Die Pestpogrome

 

 

(1) Als Pestpogrome bezeichnet man eine Reihe von Aufständen zwischen den Jahren 1348 bis 1351 (zur Zeit des Schwarzen Todes) gegen die jüdische Bevölkerung.

(2) Die Ursachen für die Pogrome sind relativ vielschichtig:

- Generell herrscht im Mittelalter eine starke Judenfeindschaft vor, es kommt oft zu Spannungen in der Bevölkerung da die Christen die Juden unter anderem den Hostienfrevel und Ritualmorde vorwerfen und sie zudem als Wucherer bezeichnen. Vielen Quellen ist zu entnehmen dass eine extreme Eifersucht gepaart mit unglaublicher Habgier geherrscht haben muss.

- Des weiteren sind viele Christen der Meinung, Gott strafe sie mit der Pest dafür, dass sie Juden in ihren Städten wohnen ließen.

(3) Allerdings wird die jüdische Bevölkerung auch dahingehend für die Pestepidemie verantwortlich gemacht, dass sie der Brunnenvergiftung bezichtigt wird. Besonders die Entstehung dieses Vorurteils ist interessant: Seit dem 13. Jahrhundert ist es den Juden erlaubt in Städten zu leben – allerdings nur in bestimmten Vierteln, den sogenannten Ghettos. Da das Judentum, anders als das Christentum, gewisse Reinheitsgebote für eine koschere Lebensweise voraussetzt, achtet der mittelalterliche Jude mehr auf die hygienischen Verhältnisse in seiner Umgebung als ein mittelalterlicher Christ. Daher kann sich die Pest in den vergleichsweise sauberen jüdischen Vierteln weniger schnell ausbreiten als in den anderen Wohnvierteln. Die nichtjüdische Bevölkerung, die die Rituale des Judentums kaum kennt, sieht dies als sicheren Beweis dafür, dass die Juden etwas mit dem Auftreten der Pest zu tun haben müssen.

(4) Die Pogrome treten nahezu parallel mit der Verbreitung der Pest auf, sie breiten sich vom Mittelmeer her nach Norden über fast ganz Europa aus. Teilweise gibt es sogar Pogrome in Städten, die die Pest noch gar nicht erreicht hatte.

(5) Während der Aufstände werden Tausende Juden verbrannt und getötet –  zum Teil mit erfolterten „Geständnissen“. Selbst die Fürsten, denen die jüdische Bevölkerung eigentlich zum Schutz untersteht, halten sich bei den Aufständen extrem zurück und sehen oft tatenlos beim Morden und Foltern zu, da sie den Verlust ihrer Position durch die aufgebrachten Massen fürchten. Nur mancherorts nehmen einige Fürsten jüdische Flüchtlinge auf wie beispielsweise Pfalzgraf Ruprecht I. in der Pfalz, Peter IV. von Aragón in Spanien oder Kasimir III. in Polen.

(6) In vielen Orten werden die Pestpogrome im Nachhinein heruntergespielt und verklärt, immerhin dürfen sich Juden aber nach einer bestimmten Zeit wieder in den Städten und Dörfern ansiedeln.

(Nina Eberle) 

 (Abbildung: Schedelsche Weltchronik 1493 http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/72/Schedel_judenfeindlichkeit2.jpg [gemeinfrei])

 

Sekundärliteratur:

Cluse, C.: Zwischen Vorurteil und Vertrauen: Die Rettung der Regensburger Juden im Jahr 1349, in: Gemein, G. (Hrg.): Kulturkonflikte – Kulturbegegnungen. Juden, Christen und Muslime in Geschichte und Gegenwart (Bundeszentrale für Politische Bildung Schriftenreihe 1062), Bonn 2011, 362-375.

 

 

Externe Links:

http://www.edjewnet.de/schwarzertod/schwarzer_tod.htm (Ausstellung Jüdisches Museum, Göppingen)

http://de.wikipedia.org/wiki/Judenverfolgungen_zur_Zeit_des_Schwarzen_Todes (Wikipedia-Artikel)

http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/10789 (Artikel von Markus Ströhlein: Pest, Pogrome, Paranoia. Wo im Mittelalter Juden verfolgt wurden, waren die Nazis später besonders stark)

Dieser Artikel bezieht sich auf die Studie von Nico Voigtländer und Hans-Joachim Voth: Persecution Perpetuated: The Medieval Origins of Anti-Semitic Violence in Nazi Germany . online unter: http://econ.as.nyu.edu/docs/IO/18631/Voigtlander_2011April19.pdf